7/02/2015

Rezension: "Letters of Note - Briefe, die die Welt bedeuten" von Shaun Usher



»Auf Ihrer Entdeckungsreise werden Sie Liebesbriefe lesen, Absageschreiben, Fanpost, Entschuldigungsschreiben; Sie werden traurig sein, wütend, erfreut und schockiert. [...] Wie könnte man mehr über die Vergangenheit erfahren denn als Zeuge der oftmals sehr offenen und unverblümten Schriftwechsel der Menschen, die in ihr gelebt haben?« (S. 14-15 / Einleitung von Shaun Usher)



Anfangen ist manchmal ziemlich schwer. Wo soll ich anfangen, nach über einem Monat Trockenphase, einer klinisch toten Hauptseite und verstaubt-alten Einträgen? Ich hatte nichts, worüber ich hätte schreiben können. Und ich würde lügen, wenn ich behauptete, dass das nie wieder vorkommen wird. Manchmal hat man nichts, über das sich schreiben lässt und manchmal hat man sehr viel. Ich hoffe, dass in den nächsten Monaten überwiegend Letzteres der Fall sein wird.
Der Grund, warum ich wieder schreibe, sind ganz einfach: Erstens. Ich bin verliebt. In ein Buch. Und ich muss es mit euch teilen. Es ist so wundervoll und lesenswert. Ich will nicht mal so viel in der Einleitung verraten, sondern gleich zu den einzelnen "Rezensions-Stationen" (Sagt das zehn Mal ganz schnell hintereinander!) kommen. Also setzt euch an ein angenehmes Plätzchen, irgendwo zwischen kühl und warm (wenn ihr versteht, was ich meine) und denkt an ausreichend Trinken und Sonnencreme - Dehydrierung und Hautkrebs sind nicht lustig! - Jetzt geht's los.




Der Autor 

Oder wie er Freunden, Familien, Lesern und öffentlichen Ämtern vielleicht eher bekannt ist: Shaun Usher. Laut seiner offiziellen Internetseite mag er Briefe und Listen. Sehr sympathisch. Leider haben immer die falschen Menschen Wikipedia-Einträge und so fand ich nur sein Alter - 36 Jahre, am 4. August 1978 geboren - und das Projekt, das dieses Buch erst möglich gemacht hat: Hierbei handelt es sich um den Blog lettersofnote.com, auf dem Shaun Usher tolle Briefe von "Berühmten, Berühmt-Berüchtigten und auch weniger Berühmten" (diese Aufzählung habe ich mir ebenfalls aus der Einleitung von "Letters of Note" geklaut - sei's drum, es hat sich angeboten) veröffentlicht, die Hintergründe kommentiert und mit Bildern hinterlegt. Wem also der stolze Preis des Buches zu stolz und die englischen Sprache kein Rätsel ist, kann die Seite besuchen und viele tolle Briefe lesen. Ganz kostenlos. Warum es sich trotzdem lohnt, die übersetzte Version (mit oder ohne Befähigung zur englischen Sprache) zu kaufen, erkläre ich weiter unten bei den Randfakten.




Die Geschichte hinter der Geschichte

Tatsächlich bin ich schon das ein oder andere Mal an dieser schlichtweg wunderschönen Briefsammlung vorbeigetigert. Irgendetwas hat mich dann doch immer davon abgehalten. Vielleicht auch ein bisschen der Preis, der mit 34,99 € doch nicht umbedingt günstig ist. 
Glücklicherweise habe ich sehr spendable, sehr mich-kennende Freunde und Mitte-Ende Mai Geburtstag. Eine Freundin schenkte mir dieses wunderschöne Buch und ich bin immer noch am Kopf-zerbrechen, mit was ich mich dafür revanchieren kann. 
Mehr an persönlicher Geschichte gab es dazu bisweilen noch nicht. Ich habe es zwar schon das ein oder andere Mal im Augenwinkel gehabt, aber nie hineingelesen. (Bin ich eigentlich der einzige Mensch, der nie in Bücher hineinliest? Ich lasse mich gern überraschen und das vorherige Herumschnüffeln ist Tod meines Eintauch-Moments in die Geschichte. Da bin ich eigen.)




Das Buch (außen, Randfakten)


Das Buch ist ziemlich groß, ziemlich schwer und Horror für alle Umzüge und vom Tag gebeutelten Arme beim Lesen im Bett. Ich liebe es. Heiß und innig. In und an diesem Buch stimmt einfach von der Aufmachung her alles: Das Cover ist wunderschön und sieht sehr edel aus, die Seiten sind angenehm und alles um die Briefe ist wunderschön gestaltet. 
Man findet eine kurze Hintergrundgeschichte unter einer Überschrift (eine Zeile aus dem jeweiligen Brief) an der linken Seite zu Beginn des Briefes. Daneben ist die deutsche Übersetzung des Briefes Abgedruckt und danach folgen Abdrucke der Originalbriefe oder - sollte das nicht möglich gewesen sein - Bilder, die das ganze untermalen. 

Der Grund, warum ich den Kauf des Buches trotz 34,99 € empfehlen würde, ist, dass die Arbeit, die Liebe und die Vollkommenheit, die hinter, an und in diesem Buch steckt, in keinem Verhältnis zum Preis steht. Ich kann mir nur schwer vorstellen, wie viel Arbeit die Recherche für diese Briefsammlung gemacht hat und schätze, in welcher Schönheit sie gedruckt wurde. So etwas vollkommenes muss schlichtweg honoriert werden und ich persönlich werde mir auch die Nachfolgewerke (ein zweiter Band von "Letters of Note" und ein Buch über Listen namens "Lists of Note" sind bereits im englischen Original erschienen, bzw. angekündigt) zulegen und empfehle jedem Liebhaber solcher Dinge, das auch zu tun.




Das Buch (innen)

Für mich als inspirationsbedürftigen Nachwuchsschreiberling ist der Inhalt der Briefe einfach nur Gold wert. Eine Sammlung literarischer Perlen und bewegender Geschichten voller Weisheit und Wunder. Shaun Usher hat in der Einleitung definitiv nicht gelogen, als er ankündigte, man würde traurig, wütend, erfreut und schockiert sein. Ich war es definitiv. Ich habe geweint, ich habe gelacht und ich habe mir so manchen Brief auf der Zunge zergehen lassen. Es war sehr schön und sicher werde ich nicht das letzte Mal in dieser Sammlung geblättert haben. 

Einiges hat mich sicher mehr bewegt, als anderes. Es hatte alles seinen Reiz, seinen Witz und seine Verblüffung. Meine liebsten Briefe waren "Ich liebe Worte" von Robert Pirosh an diverse Empfänger, "Ich würde so gern für Sie arbeiten!" von Eudora Welty an den New Yorker, "Ein Mensch muss etwas sein; er muss Bedeutung haben" von Hunter S. Thompson an Hume Logan, "Was hast du gesagt? Ich kann dich nicht hören..." von Katharine Hepburn an Spencer Tracy, "Ich bin immer noch irgendwo" von Onkel Lynn an Peggy, Dorothy, Chuck und Dick Jones, "Noch habe ich sie nicht erschossen" von Dorothy Parker an Seward Collins und so viele, viele, viele, viele mehr. Ich habe das Buch eben noch einmal durchblättert und hatte bei den meisten Briefen das Bedürfnis, sie noch einmal zu benennen. Sie waren so schön. Ich hoffe, ihr lest sie einmal selbst. 

Aber bis dahin möchte ich euch noch "Ich liebe Worte" von Robert Pirosh da lassen. Der Brief stammt aus dem Jahr 1934 und ist ein Bewerbungsschreiben von Robert Pirosh, einem ehemaligen Werbetexter, der lieber Drehbücher schreiben wollte. Fünfzehn Jahre nach dem Brief erhielt Robert Pirosh den Oscar für das beste Orginialdrehbuch für den Film "Kesselschlacht". 


Sehr geehrter Herr: 

Ich liebe Worte. Ich liebe fette, buttrige Worte wie träufeln, Sündenpfuhl, schmuddelig, schaurig. Ich liebe althergebrachte, eckige, sperrige Worte wie bockbeinig, kommod, Quacksalber, piesacken. Ich liebe zwielichtige, fadenscheinige Worte wie schlüpfrig, Leichenbestatter, aalglatt, abwickeln. Ich liebe elegante weltmännische V-Worte wie Bravour, Verve, Verleumdung, Vornehmheit. Ich liebe brüchige, spröde, knisternde Worte wie Splitter, Zwist, Keilerei, krustig. Ich liebe mürrische, schmollende, verdrießliche Worte wie brüten, Grobian, Geizhals, griesgrämig, Finsterling. Ich liebe elegante, blumige Worte wie übersommern, flanieren, paradiesisch, Elysium. Ich liebe sich windende, wurmige, mehlige Worte wie krümmen, winden, kringeln, kriechen. Ich liebe kichernde, giggelnde Worte wie Pupsen, Gurgeln, Blubbern, Rülpsen. 

Ich liebe das Wort Drehbuchautor mehr als das Wort Werbetexter. Daher habe ich beschlossen, meinen Job in einer New Yorker Werbeagentur an den Nagel zu hängen und mein Glück in Hollywood zu versuchen. Aber bevor ich hier ins kalte Wasser gesprungen bin, war ich noch ein Jahr in Europa unterwegs, um zu studieren, nachzudenken und mir die Hörner abzustoßen. 

Ich bin gerade von dort zurückgekehrt und liebe nach wie vor Worte.

Darf ich ein paar mit Ihnen wechseln?

Robert Pirosh
385 Madison Avenue
Zimmer 610
New York
Eldorado 5-6024




Wer sollte dieses Buch lesen?

Geschichtsinteressierte Leute, Leute, die Inspiration suchen (denn Inspiration werdet ihr in diesem Buch definitiv finden!), Liebhaber von Schönheit und Genießer. Das Buch besteht - wie bereits oben erwähnt - aus wahren Literatur-Perlen und macht sehr viel Spaß.




Links

www.lettersofnote.com (Blog zu Letters of Note mit vielen, tollen Briefen)
www.listsofnote.com (Blog zu Lists of Note mit vielen, tollen Listen)







Liebe Grüße,
Antonia

5 Kommentare:

  1. Da bin ich ja nach wie vor echt happy, dass ich das richtige ausgesucht habe...

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    1. Ich auch :D (und demnächst geh ich mit dem Papier basteln xDD)

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    2. *Geschenkpapier, nicht Buchpapier!

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  2. Wie habe ich es geschafft diesen Post solange zu übersehen?
    Glücklicherweise hat ein gewisses Familienmitglied es zu Weihnachten bekommen und ich habe mal ein wenig durchgeblättert. "Ich liebe Worte" fand ich toll, das ist wahrscheinlich mein liebster Brief daraus. "Ich bin immer noch irgendwo" ist mir auch im Gedächtnis geblieben, doch muss ich zugeben, die anderen von dir genannten habe ich einfach überblättert. Das Lesen von ihnen werde ich aber ganz bald nachholen.
    Hoffentlich hattest du schöne Feiertage!
    Sally

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    1. Sally, ich habe keine Ahnung, wie du dieses tolle Buch auf meinem Blog verpassen konntest. Aber wie heißt es so schön? Besser spät als nie und so weiter.

      Ich habe das Buch, wie ja bereits oben erwähnt, zum Geburtstag bekommen und bin im Sommer darin versunken. Es war wirklich sehr schön und viele Briefe haben mich sehr bewegt. Gerade lese ich ja "Lists of Note" - was nicht ganz so literarisch, aber auch auf seine Weise reizvoll ist. Bin schon mal auf den zweiten Band von "Letters of Note" gespannt - der wandert dann definitiv direkt in meinen Einkaufskorb ;)

      Alles Liebe,
      Antonia

      P.S.: Ich kann mich bis heute nicht wirklich entscheiden, welchen Brief ich wirklich am liebsten mochte. Ich fand so viele davon großartig - aber "Ich liebe Worte" war schon sehr, sehr toll.

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Danke, dass ihr durch eure Kommentare aktiv zum Training von Antonias Sprunggelenken beitragt. Sollte sie nach eurem Kommentar länger nichts posten, liegt es nahe, dass sie sich beim Rückwärts-Flick-Flack nach dem Entdecken einen Wirbel ausgerenkt hat.

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